Anthony Doerr: Wolkenkuckucksland

Anthony Doerrs neuer, lang erwarteter Roman "Wolkenkuckucksland" ist eine faszinierende Geschichte über das Schicksal, den unschätzbaren Wert, die Macht, die Magie und die alles überdauernde Überlebensfähigkeit von Büchern, Geschichten und Träumen.
Im Mittelpunkt dieses großen Romans stehen Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden, die sich in einer zerbrechenden Welt zurechtfinden müssen. Anna und Omeir während der Belagerung und Eroberung von Konstantinopel 1453, Seymour, der aus fehlgeleitetem Idealismus einen Anschlag auf eine Bibliothek im heutigen Idaho verübt, und Konstance im Raumschiff "Argos" in der Zukunft, auf dem Weg zu einem Exoplaneten. Was sie alle auf geheimnisvolle und geradezu atemberaubende Weise über Zeiten und Räume miteinander verbindet, ist eine Geschichte über ein utopisches Land in den Wolken. Anthony Doerr schreibt über menschliche Verbindungen – miteinander, mit der Natur, mit früheren und zukünftigen Generationen. Ihm gelingt es in diesem gleichzeitig wunderschön erzählten, außerordentlich spannenden und wirklich liebevollen Roman ins pulsierende Herz dieser Verwobenheit vorzudringen.

Dieses Buch als Audiobook [Hörverlag]

Anthony Doerr lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Boise, Idaho. Neben Erzählungsbänden veröffentlichte Doerr die Romane "Winklers Traum vom Wasser" und "Alles Licht, das wir nicht sehen", für den er 2015 den Pulitzer Prize erhielt. Der Roman wurde zu einem Weltbestseller und in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Für seine Erzählungen hat Doerr bislang vier Mal den renommierten O. Henry Prize erhalten, neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt er auch drei Mal den Pushcart Prize.

Offizielle Website von Anthony Doerr

Unser Autorenfragebogen 17 aus 63 beantwortet von Anthony Doerr

Pulitzerpreisträger Anthony Doerr stellt in dieser kurzen Videobotschaft seinen neuen, lang erwarteten Roman "Wolkenkuckucksland" vor, erzählt, wie er die Idee zum Buch entwickelte und warum er es allen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren der Welt gewidmet hat.

Deutschlandpremiere mit Anthony Doerr

Moderation: Günter Keil
Lesung der deutschen Übersetzung: Anuschka Tochtermann
14. Oktober 2021 - 19:00 Uhr

Die Aufzeichnung des Livestreams finden Sie unten oder unter: https://youtu.be/OgSxS109uzI
Veranstalter: American Academy in Berlin, Verlag C.H.Beck, Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH

In Kooperation mit: Deutsch-Amerikanisches Institut Freiburg, Deutsch-Amerikanisches Institut Nürnberg, Deutsch-Amerikanisches Institut Saarland, Deutsch-Amerikanisches Institut Sachsen, Deutsch-Amerikanisches Institut Tübingen

Leseprobe

Die Argos Missionsjahr 65
Tag 307
in Gewölbe Eins

Konstance

Ein vierzehnjähriges Mädchen sitzt im Schneidersitz auf dem Boden eines kreisrunden Gewölbes. Wilde Locken liegen ihr wie ein Heiligenschein um den Kopf, die Strümpfe sind voller Löcher. Das ist Konstance. Hinter ihr, in einem durchsichtigen Zylinder, der fast fünf Meter hoch vom Boden bis zur Decke reicht, hängt eine Maschine, aus unzähligen Goldfäden bestehend, von denen keiner dicker als ein menschliches Haar ist. Jeder dieser Fäden windet sich in einer erstaunlich komplexen Verschlungenheit um Tausende andere. Gelegentlich pulsiert Licht in einem der Bündel: mal hier, mal da. Das ist Sybil.
Zusätzlich gibt es noch eine aufblasbare Liege, eine Recyclingtoilette, einen Essensdrucker, elf Säcke Nahrungspulver und ein multidirektionales Laufband in Form eines Autoreifens, Perambulator genannt. Aus einem Diodenring an der Decke fällt Licht. Ein Ausgang ist nicht zu erkennen.
Der Großteil des Bodens wird von fast hundert rechteckigen Zetteln bedeckt, die Konstance aus leeren Nahrungspulversäcken gerissen, zu einer Art Quadrat zusammengelegt und mit selbst gemachter Tinte beschrieben hat. Auf manchen drängen sich die Zeilen dicht an dicht, auf anderen steht nur ein einziges Wort. Eines enthält die vierundzwanzig Buchstaben des griechischen Alphabets. Auf einem anderen ist zu lesen:

In den tausend Jahren vor 1453 wurde Konstantinopel dreiundzwanzig Mal belagert, aber kein Heer vermochte je, die Mauern zu überwinden.
Konstance lehnt sich vor und nimmt drei Zettel aus dem Puzzle vor sich. Die Maschine hinter ihr flimmert.
Es ist spät, Konstance, und du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen.
«Ich habe keinen Hunger.»
Wie wäre es mit einem leckeren Risotto? Oder einem Lammbraten mit Stampfkartoffeln? Es gibt immer noch viele Kombinationen, die du nicht ausprobiert hast.
«Nein, danke, Sybil.» Sie betrachtet den ersten Zettel und liest:
Die verschollene griechische Prosaerzählung Wolkenkuckucksland des Schriftstellers Antonios Diogenes, die von der Reise eines Hirten in eine utopische Stadt am Himmel berichtet, geschrieben wahrscheinlich um das Ende des ersten Jahrhunderts v. u. Z.

Den zweiten:

Durch eine byzantinische Zusammenfassung des Buches aus dem neunten Jahrhundert wissen wir, dass es mit einem kurzen Prolog begann, in dem sich Diogenes an eine kränkelnde Nichte wandte und ihr erklärte, er habe die nachfolgende komische Geschichte nicht erfunden, sondern sei in einem Grab der alten Stadt Tyros darauf gestoßen.

Den dritten:

Auf dem Grab, schrieb Diogenes an seine Nichte, stand: Aethon – lebte 80 Jahre als Mensch, 1 Jahr als Esel, 1 Jahr als Zackenbarsch, 1 Jahr als Krähe. Im Grab, behauptete er, eine hölzerne Truhe gefunden zu haben, darauf die Aufschrift: Fremder, wer immer du bist, öffne dies und siehe, was dich erstaunen wird. In der Truhe selbst hätten vierundzwanzig Tafeln aus Zypressenholz mit Aethons Geschichte gelegen.  weiterlesen