„In die Zeichnungen von Barbara Yelin kann man abtauchen wie in immer andere Gewässer: mal sind sie still und kontemplativ, zart, mal wild und stürmisch.“ So Doris Dörrie 2021 in ihrer Laudatio auf Barbara Yelin anlässlich der Verleihung des Ernst-Hoferichter-Preises an die Münchener Zeichnerin, die 2016 mit dem Max-und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin ausgezeichnet wurde. Aber was heißt hier „deutschsprachig“? Einem größeren Publikum wurde Barbara Yelin zuerst in Frankreich bekannt. Ihr Comic-Roman „Irmina“ wurde in zehn Sprachen übersetzt. Die Geschichte der Emmie Arbel, die als Kind den Holocaust überlebt hat, in dem Band „Aber ich lebe“ ist gleichzeitig auf Englisch und Deutsch erschienen. Die große Kunst von Barbara Yelin ist es, historisch so getreu wie möglich zu zeichnen – die Konstruktion einer Baracke oder den Schnitt einer Uniform – und diese Authentizität ganz in den Dienst einer dichten Atmosphäre, einer spannungsgeladenen Situation zu stellen, in die wir abtauchen können, ohne uns darin zu verlieren.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Zentral über Kreativität: Wenn ich mich nicht mehr auskenne, bin ich genau am richtigen Ort (– um etwas Neues zu finden).


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Hmm. Mit Babysitten, glaube ich. Putzen, auf dem Weihnachtsmarkt Gürtel verkaufen und Zeitschriften und Zigaretten im Untergeschoss vom Hertie. Dann kellnern, kellnern, kellnern.


3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Ausgeruht sein, Kaffee bekommen und in unerwartet sich auftuende Zeitlöcher stolpern, kurz vergessen, was später ist; eine frohe Familie, und ein Projekt, in dem ich schon zu Hause bin.


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Geduld.

5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Schwächen (meine und andere)


6. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Beinahe fertig.


7. Der beste Ort der Welt, der beste Ort in München?
Im Starnberger See schwimmen und plötzlich die Berge sehen. Schweben.


8. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Geduld, Humor, Klugheit, lauthalsiges Lachen, Energiegeladenheit.


9. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Die unermesslichen Dimensionen der Müdigkeit.


10. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Das kriege ich schon hin.

Oder

Dass Zeichnen leicht sei.


11. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
Die SZ und hm, das Internet?


12. Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Gibt es nicht nur eine. In München Comic Company, Buch & Töne, Literatur Moths; Modern Graphics in Berlin.


13. Ihr Lieblingsmuseum?
Die Biennale in Venedig.


14. Welchen Satz haben Sie sich zuletzt aus einem Buch notiert?
„Je langsamer du gehst, sagt Nawel, desto langsamer vergeht die Zeit.“ – Nino Bulling, Lichtpause. (Comic)


15. Welches Buch würde niemand in Ihrer Bibliothek erwarten?
Ha! Ich lese Liebesromane.


16. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Keins. Aber bei vielen sind es Minuten, Stunden, manchmal Tage, gewesen, an denen plötzlich alles anders aussah. Man sieht aus einem anderen Blick. In letzter Zeit war so eines: Elizabeth Strout, „Alles ist möglich“. Oder: „Starkes Ding“ von Lika Nüssli.


17. Welche Künstler:innen beeindrucken Sie?
Käthe Kollwitz, Anke Feuchtenberger, Doris Dörrie, Christoph Niemann, Catherine Meurisse, Tove Jansson, Jean-Jaques Sempé, David Mazzucchelli, Paul Cézanne.


18. Ihr Lieblingsgetränk?
Sprudel. Nein, Whiskey Sour.


19. Wenn Sie ein zweites Leben führen könnten, wie sähe dieses aus?
Ich würde Modelleisenbahn-Fantasie-Landschaften bauen.


20. Welches Buch möchten Sie gern noch schreiben zeichnen?
Einen Episodencomic über ein Münchner Mietshaus in den 1980ern.