Er ist Lyriker, Essayist, Romancier und Literaturwissenschaftler, kann mühelos von ältesten lyrischen Tonlagen zu jüngsten wechseln, sozusagen vom Minnelied zum Tocotronic-Song, seine Themen sind die großen, die Schwellen zum Leben und zum Tode, alte und neue Lieben, Kindheit und Elternschaft, Abschiede und Ankünfte, aber sein Material ist immer ganz gegenwärtig. Nun hat Dirk von Petersdorff eine Novelle vorgelegt, „Gewittergäste“, eine spannende, abgründige und unterhaltsame Geschichte über ein aus dem Ruder laufendes Abendessen mit ost- und westdeutschen Paaren, eine Novelle, die jäh, ohne dass es Absicht war, noch eine dunklere Aktualität gewonnen hat. Denn nicht nur ein heftiges Gewitter sorgt während des Essens für Aufregung, auch eine in der Nähe stattfindende Nato-Übung und ein herumstreunender ehemaliger Sowjetsoldat erhöhen das Chaos und die Anspannung. Umso glückhafter und utopischer wirkt, wie Petersdorff die Spannungen löst… hier ist kein Apokalyptiker am Werk!

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Im Denken nicht stehen zu bleiben, weiterzufragen und zu zweifeln. Auch an den eigenen Lösungen.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit Schreibmaschinenkursen, die ich an der Volkshochschule gegeben habe. Zweimal wöchentlich reichte das Geld für einen Sommerurlaub in Italien.

3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Morgens und vormittags an Gedichten arbeiten, eine Nudelgemüsepfanne essen, dann Mittagsschlaf. Am Nachmittag in den Alpen wandern, in einem Gebirgssee schwimmen, am Abend Riesling trinken und mit meiner Familie oder Freunden in die Dunkelheit hineinreden.


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Ruhig zu bleiben und nicht polemisch zu werden, wenn ich ganz sicher bin, etwas richtig zu sehen, andere das aber ganz anders sehen.


5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Die Ungewissheit. Dass man die letzten Fragen nie wird beantworten können.


6. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Ich glaube, dass das Schreiben selber ein ständiges „Beinahe“ ist, weil man Vorstellungen vom Gelingen hat, vom idealen Gedicht zum Beispiel, das sich immer wieder entzieht.


7. Der beste Ort der Welt, der beste Ort in Jena (Wohnort des Befragten)?
Florenz im 15. Jahrhundert. Ein Seminarraum, in dem alle etwas wissen und verstehen wollen und lebhaft miteinander reden.


8. Welche Künstler beeindrucken Sie?
Vor allem Maler. Da Florenz schon vorkam, sage ich jetzt: Bruegel. Zum Beispiel: „Die Jäger im Schnee“.


9. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Güte, sich in andere hineinversetzen zu können, Selbstironie.


10. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Da geht vieles, Fußball immer, aber auch so etwas wie Holzhacken. Gut ist es, andere etwas fragen zu können, was man ehrlich wissen will, um vom Smalltalk etwas mitzunehmen.


11. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Das kann ich nicht sagen, weil ich an diese Illusionen so fest glaube, dass sie keine sind.


12. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
Angefangen habe ich mit den „Kieler Nachrichten“, die ich bei Besuchen zu Hause immer noch gern lese. Im Studium kam die FAZ dazu, das hat bis heute gehalten. Von der Familie und von Freunden bekomme ich das Feuilleton der „Zeit“ und die „Literarische Welt“. Im Blogbereich versuche ich etwas über Musik mitzubekommen, da lese ich kreuz und quer ohne feste Adressen.


13. Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Albert Steen in Jena.


14. Ihr Lieblingsmuseum?
Das Kunsthistorische Museum in Wien


15. Welchen Satz haben Sie sich zuletzt aus einem Buch notiert?
zu der stillen Erde sag: Ich rinne.
Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.

(Rilke, Sonette an Orpheus, 29)


16. Welches Buch würde niemand in Ihrer Bibliothek erwarten?
Eine zerlesene, zerblätterte und angerissene Dokumentation der Fußballweltmeisterschaft von 1974 mit phantastischen Fotos zum Beispiel, in die ich ganz verliebt war


17. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Die Bibel