Sabine Gruber, geboren 1963 in Meran, lebt als freie Schriftstellerin in Wien. Für ihr Werk, Erzählungen, Hörspiele und Theaterstücke sowie ihre Romane erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, u. a. den Österreichischen Kunstpreis für Literatur (2016), den Preis der Stadt Wien für Literatur (2019) außerdem war sie Poet-in-Recidence 2020/21 an der Universität Duisburg/Essen.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelesen und über Textanalysen gelernt, meine eigene Lyrik und Prosa noch kritischer zu betrachten. Außerdem wurde mir klar, daß positive gesellschaftspolitische Veränderungen ohne Einfühlung und ohne politisches Engagement nicht möglich sind.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Im Alter von 12, 13 Jahren habe ich gegen Stundenlohn auf Kleinkinder aufgepaßt, bereits mit 14 einen Sommer lang als Zimmer- und Küchenmädchen in Rom gearbeitet.


3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
An einem solchen Tag macht mein Körper seine Arbeit, ohne zu stören. Ich bin nicht müde, kann mich gut konzentrieren, bin ausgeglichen, kann viel lesen und schreiben. Ich schwimme eine Stunde und koche/esse mit lieben, interessanten Menschen oder gehe mit ihnen ins Kino oder ins Theater.


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Noch mehr zu lesen, mich mehr zu bewegen.


5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Meine eigenen Schwächen. Das Älterwerden.


6. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Ich hatte mal fünf Richtige im Lotto (6 aus 45). Und ich wäre in Venedig fast an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben. Ein Vogel war im Schornstein verendet, es entstand ein Rückstau in der Küche, in der sich die Gastherme befand.


7. Der beste Ort der Welt, der beste Ort in Wien?
Der Süden Italiens, die Wärme, das Meer. In Wien liebe ich meine Wohnung in der Nähe des Praters und der Donau.


8. Welche Künstler:innen beeindrucken Sie?
Die Arbeiten von William Kentridge beschäftigen mich schon lange. Ich mag seine animierten Zeichnungen, in denen immer etwas vom vorherigen Bild sichtbar bleibt, Kentridges Kombination aus Autobiographischem mit fiktiven Figuren – sein „Verfahren“ kommt meiner eigenen Arbeitsweise sehr entgegen. Außerdem reflektiert Kentridge den Kolonialismus und die Brutalität des südafrikanischen Apartheid-Systems.

Dann liebe ich die Malerei der Renaissance, Bellini, Giorgione, Lotto usw., aber auch die Werke der Österreicherin Maria Lassnig, die erst spät bekannt wurde.


9. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Daß jemand von sich selbst absehen kann, die eigene Endlichkeit begreift und entsprechend handelt, also anderen hilft und selbst genießen kann. Ich mag keine Schwindler, Lügner, Blenderinnen.


10. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Ich höre lieber zu, als mich zu beteiligen. Ist ja alles Stoff: Beziehungsprobleme, Schicksalsschläge usw.


11. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin? 
Manchmal beruhigt mich der Gedanke, daß die geliebten Menschen, die gestorben sind, noch immer da sind, daß ich sie jederzeit erinnern kann. Aber Erinnerungen ziehen vorbei wie      Wolken.


12. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
Ich habe ein Abo der Wiener Stadtzeitung Falter, lese unregelmäßig in den Wiener Kaffeehäusern die großen deutschen Tageszeitungen, die Neue Zürcher Zeitung, Spiegel und Profil - online auch italienische Zeitungen.


13. Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Ich mag die Buchhandlung Liber Wiederin in Innsbruck, die von Freunden geführt wird, aber auch Stuwerbuch, eine sehr kleine Buchhandlung in der Nähe meiner Wohnung. Aber ich kaufe in vielen verschiedenen Buchhandlungen, je nachdem, wo ich gerade unterwegs bin.


14. Ihr Lieblingsmuseum?
Ex aequo: die Galleria dell`Accademia in Venedig und das Kunsthistorische Museum in Wien.


15. Welchen Satz haben Sie sich zuletzt aus einem Buch notiert?
Péter Nádas über seinen Kollegen Péter Esterházy: „Er ist Mathematiker in einer Institution abenteuerlichen Namens, wo sie Luftballons schälen und Schäfchenwolken tranchieren.“


16. Welches Buch würde niemand in Ihrer Bibliothek erwarten?
Ein mit der Hand geschriebenes, 625 Seiten dickes, mit Zeichnungen illustriertes Buch zur Geschichte Tirols, verfaßt von meinem Großonkel Luis Gruber (1919-1944).


17. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Es waren die ersten „guten“ Bücher, die mir als Kind in die Hände gefallen sind, die mich süchtig nach Literatur gemacht haben. Dazu zählen Brechts „Svendborger Gedichte“ (das war übrigens das allererste Buch, das ich mir von meinem Taschengeld gekauft habe), sowie Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ und Carlo Levis „Christus kam nur bis Eboli“.